Forschung

Studien zur Geschichte der schwulen Bildkultur in Europa


Post-Doc-Projekt am Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte der TU Darmstadt von Dr. Martin Pozsgai






Die Erforschung der visuellen Überlieferung einer gesellschaftlichen Minderheit, die in vielen Ländern Europas bis in die Jahre um 1970 strafgesetzlich verfolgt wurde, bildet einen kunstwissenschaftlichen Schwerpunkt des Fachgebiets. Zur schwulen Bildkultur werden Gemälde, Fotografien, Filme und andere Kunstwerke gezählt, die von und für Männer mit homosexueller Orientierung geschaffen wurden. Um der Bandbreite der Materialität und Medialität der Bilder angemessen gerecht werden zu können, werden verschiedene Ansätze und Methoden von den Queer Studies über die Kulturwissenschaften bis hin zur Körper-, Gender- und Konsumgeschichte in die Forschung integriert. Neben populären Namen wie Walter Kundzicz oder Robert Mapplethorpe werden auch die Arbeiten weniger bekannter Künstler und Fotografen wie Paul Cadmus oder Danny Fitzgerald einbezogen.

Das Forschungsvorhaben analysiert, welche Codes, Chiffres und Botschaften die Werke vor und nach der strafrechtlichen Liberalisierung der Homosexualität transportierten und setzt daher einen Fokus auf die Zeit zwischen 1950 und 1990. Wie wurde homoerotische Ästhetik in Zeiten staatlicher Zensur konstruiert und inszeniert? Lassen sich Bildstrategien feststellen, die Sehnsüchte visualisieren? Sollten erotische Werke nur Begierden wecken oder auch schwules Selbstbewusstsein fördern und Identität stärken? Wie weit spielen Antikenbezüge eine Rolle? Und wie groß war der transatlantische Einfluss aus den USA auf diese Bildproduktion? Zur Untersuchung dieser Fragen wird der jeweilige Entstehungskontext der Werke berücksichtigt und ein besonderes Augenmerk auf ihre Rezeption und die mediale Weiterverarbeitung in den für homosexuelle Männer gedruckten Journalen und Magazinen gelegt. Die Erforschung der Bildkultur stellt daher zugleich eine Erforschung der Mediengeschichte dieser Minderheit dar.